SARKIS

7 Tage, 7 Nächte

26.10.2023–24.02.2024
Diese Ausstellungsansicht von Sarkis - 7 Tage, 7 Nächte, die vom 27. Oktober 2023 bis zum 4. Februar 2024 in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden zu sehen ist, zeigt den Hauptraum. Es handelt sich um ein Querformat, in dessen Mittelpunkt das Werk (auf Französisch) "Atelier d'aquarelle dans l'eau" (2005) steht. Das "Atelier" besteht aus einem großen, fast zehn Meter langem massivem Holztisch, über dessen Mitte eins halbrunde Messingrinne läuft. An ihrem Ende befindet sich ein großer Bottich mit Wasser, welches über die Rinne entlang des Tisches läuft und dort unterhalb des Tisches wieder in den Bottich geleitet wird. Auf dem Tisch befinden sich 20 weiße Keramikschüsseln und je drei Aqaurellfarben und ein Pinsel. Unter dem Tisch sind bunte Eimer zu sehen und die Reflketion eines Neons, das unter dem Tisch angebracht ist und in der Reflektion den Titel des Werks erkennen lässt. Diese Skulptur wird regelmäßig von Gruppen aktiviert, die durch geschulte Vermittler:innen die besondere Aqaurelltechnik der Künstlers lernen können. Im Hintergrund des Bildes sehen wir, zwischen den beiden Türen, die in Raum 2 führen, ein weiteres Neon an der Wand angebracht. Dieses Werk, das einen Regenbogen darstellt, trägt den Titel "Zu den Kindern" (2023).
Diese Ausstellungsansicht von Sarkis - 7 Tage, 7 Nächte, die vom 27. Oktober 2023 bis zum 4. Februar 2024 in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden zu sehen ist, zeigt Raum 2. Es handelt sich um ein Hochformat, in dessen Mittelpunkt zwei Werke stehen: (auf Französisch) A partier du rouge (2007), ein Tisch mit einer roten, geformten Glasplatte, und (auf Französisch) Le défilé du siècle en flou (2000-2014), ein Set aus 23 imaginären bunten Kinderkleidern, die von der Decke hängen. Im Hintergrund ist ein Teil des titelgebenden Werks 7 Nuits (2016-2019) zu sehen, eine vergrößerte Fotografie, die den Schlafsack des Künstlers in seinem Pariser Atelier zeigt (auf Französisch).
Diese Ausstellungsansicht von Sarkis - 7 Tage, 7 Nächte, die vom 27. Oktober 2023 bis zum 4. Februar 2024 in der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden zu sehen ist, zeigt den Raum 6. An der hinteren Stirnwand dieses langgestreckten Oberlichtsaals ist das Werk "7 Nuits" zu sehen, das der Ausstellung ihren Namen gab. Im Mittelgrund ist das Werk (auf Französisch) "Les 12 Kriegsschatz dansent avec le "Sacre du Printemps" d'Igor Strawinsky" (1989, 2991, 2003) zu sehen. Das Werk besteht aus einer Gruppe von Figuren, kleinen Skulpturen und Artefakten, die auf kopfhohen, drehbaren Ständern montiert sind und jeweils einen Buchstaben des Wortes "Kriegsschatz" an ihrer Basis tragen. Im Vordergrund rechts ist "Autel des croyances et d'utopie" (auf Französisch) von 1979-2004 zu sehen. Das Werk besteht aus drei Elementen, von denen einige auf dem Boden, andere an der Wand installiert sind: Eine Holzkiste mit fast 300 so genannten Ex-Votos, ein Exemplar des Buches "The Treasure Chests of Mnemosyne" und ein Untersetzer mit der Aufschrift "Begin of Centuries End of Centuries". Auf dem Boden liegen zwölf weiße Stofftaschentücher, die mit verschiedenfarbiger Tinte befleckt sind.

Künstler*in

  • Sarkis

Kurator*innen

  • Çağla Ilk
  • Misal Adnan Yıldız
  • Defne Ayas

Kuratorische Assistenz

  • Sandeep Sodhi

Dank an

Wir danken FRAC Alsace, Mamco Genève, FRAC des Pays de la Loire, Hessisches Landesmuseum Darmstadt, Galerie Nathalie Obadia für die großzügigen Leihgaben und die Unterstützung bei der Umsetzung der Ausstellung.

Die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden ist eine Einrichtung des Landes Baden-Württemberg unter der Trägerschaft des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg.

Gefördert durch:

Gefördert von:

Die Staatliche Kunsthalle Baden-Baden widmet dem international renommierten Konzeptkünstler Sarkis (geb. 1938 in Istanbul, lebt und arbeitet in Paris) eine umfassende Einzelausstellung, deren Werke einen tiefen sozialen Bezug aufweisen, der zur Verschmelzung von Praktiken und Kulturen auffordert. Die Ausstellung ist das Ergebnis eines mehrjährigen Austauschs mit dem Künstler, der Geschichte und Trauma in der Kunst sowie Institutionen als Raum für Reflexion, Partizipation und Gemeinschaft behandelte.

Der Titel der Ausstellung 7 Tage, 7 Nächte leitet sich von der Installation 7 Nuits (7 Nächte, 2016-2019) des Künstlers ab, die Sarkis bis heute als eine seiner wichtigsten Arbeiten betrachtet. Sie besteht aus sieben verschiedenen Kompositionen und einem Schlafsack, der auf dem Boden vor dem Werk La grande vitrine (Die große Vitrine, 1982-2021) im Herzen des Pariser Ateliers des Künstlers liegt. Das Werk definiert einen intimen Raum für Selbstreflexion und Meditation ebenso, wie es kontextuelle Aspekte dessen konfrontiert, was es bedeutet, als Künstler ein Leben mit Resilienz und Widerstand zu führen. Es ist eine eindrückliche Darstellung der Position des Künstlers heute sowie der transformativen Aspekte von Politik und der Poesie der Kunst. 7 Nuits wird zum ersten Mal in einem institutionellen Kontext präsentiert.

Als partizipatives Werk schafft L'atelier d'aquarelle dans l'eau (Aquarelle im Wasser, 2005-2006) im Hauptausstellungsraum der Kunsthalle sowohl einen gemeinschaftlichen Raum als auch eine konzeptionelle Bühne. Hier sind alle von 7 bis 70 Jahren eingeladen, an einem ephemeren Ritual mit Aquarellfarben und Wasser teilzuhaben. Wasser, ein wichtiges Element der Stadt Baden-Baden, die von der Oos durchflossen und ihren Thermalbädern geprägt ist, fungiert als Bindeglied, das es ermöglicht, organisch zu arbeiten, zu teilen und intime Begegnungen sowie Erinnerungen zu schaffen. Mittels Wasser schlägt Sarkis Aufmerksamkeit und Geduld als grundlegende Aspekte des Lernens mit und durch die Kunst im Dienste der kollektiven und persönlichen Heilung vor.

Die wechselseitige Aktivierung von Werk und Umgebung wird auch auf bereits vorhandene Werke ausgedehnt, die aus namhaften öffentlichen Sammlungen ausgeliehen wurden, darunter die Serie der maßgeschneiderten Kinderkleider im Ausstellungsraum Défilé du Siècle en Fluo (1995). Mit einer luziden konzeptionellen Choreografie evoziert diese Arbeit das Gedenken an Menschen aus verschiedenen Teilen der Welt, wie sie ihre Körper in verschiedenen Zeitepochen gekleidet haben, und wie wir uns eine Zukunft für unsere Existenz vorstellen. In einer Stadt wie Baden-Baden, mit einem bedeutenden älteren Bevölkerungsanteil, manifestiert sich diese Geste als Rückbesinnung auf unsere Kindheit, durch Neonfarben und futuristische Formen der Abstraktion, die vor Intensität leuchten.

Es war seine Zeit in Deutschland, die den Künstler dazu veranlasste, intensiv über die Unterdrückungslogik westlicher Kunst nachzudenken und das Werkkonzept des „Kriegsschatzes“ zu entwickeln. So ist es kein Zufall, dass Sarkis mit dieser Ausstellung in das Dreiländereck zwischen Deutschland, Frankreich und der Schweiz zurückkehrt. In der Nähe von Baden-Baden, vor allem während seiner Professur an der Kunsthochschule in Straßburg und im engen Dialog mit Künstlern wie Joseph Beuys und Marcel Broodthaers sowie Kunsthistorikern wie Pontus Hultén, hat er die Suche nach nicht-westlichen Objekten systematisiert, um sie als "objets trouvés" zu kontextualisieren – Objekte, die der Künstler zusammengetragen hat, ohne dass sie ihr Eigenleben verlieren.

Sarkis Überzeugung, dass Objekte ein Eigenleben haben – mit singulären Geschichten von Schmerz und Leid – führte ihn schließlich zu dem vom deutschen Kunsthistoriker Aby Warburg geprägten Begriff des „Leidschatzes der Menschheit“. In diesem Sinne interpretiert Sarkis die menschliche Geschichte als kollektiven Schatz und Last und verknüpft sie mit seinen eigenen Erinnerungen und seinem Leben.

Wir sehen unsere Rolle in der Kunsthalle Baden-Baden als kontinuierliche Vermittler einer offenen Plattform”, so die Kurator*innen Çağla Ilk und Misal Adnan Yıldız. „Geschichte ist nie ein abgeschlossener Prozess. Als solcher ist sie unsere materielle und auch erdende Wirklichkeit. Wir lernen aus Sarkis' künstlerischer Praxis in Bezug auf die menschliche Existenz und unsere ontologischen Fragen. Die Aktualität dieser Ausstellung knüpft nicht nur an eine neue Dringlichkeit der Kunstproduktion angesichts der aktuellen Kriege in unserer Welt an, sondern bekräftigt auch die Rolle von Praxen des Gedenkens im Kontext der aktuellen geopolitischen Entwicklungen. Speziell in Deutschland, aber auch innerhalb eines universellen diskursiven Rahmens, unterstützen wir die vertiefte Auseinandersetzung mit den generationsbedingten psychologischen und sozialen Traumata der Opfer von Krieg, staatlicher Gewalt und Völkermord, einschließlich des armenischen Volkes... diese Thematisierung ist ein wichtiger Schritt in Richtung Anerkennung, Empathie und Andenken. Kunst allein kann unsere großen Probleme – von der Klimakrise und dem ökologischen Kollaps bis hin zur militaristischen Gentrifizierung und Kriegspolitik – nicht lösen, aber sie verändert unsere Perspektive darauf, wie wir auf sie reagieren.“

Defne Ayas trägt mit einer weiteren Überlegung bei: „Traumatische Erlebnisse – sowohl persönliche als auch kollektive – bieten sich immer zur Instrumentalisierung an, insbesondere durch die Politik. In den Händen und mit den Visionen von Sarkis jedoch bewegt sich diese menschliche Zerbrechlichkeit jenseits der Ökonomie traumatisch-kathartischer Schleifen und wird zu einer Forschungskabale. Ich bin stolz darauf, dass wir in der Kunsthalle Baden-Baden diese kinematografische Montage präsentieren können, die aus seinem fast fünfzigjährigen Engagement zur Erforschung des Begriffs Kriegsschatz schöpft.“

Diesem Modus Operandi für Kunstwerke folgend, die sich mit der Welt verändern, werden in der Kunsthalle während der Ausstellungsdauer sieben Tage und Nächte lang Beschwörungen, Mahlzeiten und Lesungen stattfinden, die Sarkis sich ständig verändernde Kompositionen neu interpretieren.

Die Ausstellung wurde von Sarkis in enger Zusammenarbeit mit den Direktor*innen der Staatlichen Kunsthalle Baden-Baden Çağla Ilk und Misal Adnan Yıldız sowie der Kuratorin Defne Ayas inszeniert und von Sandeep Sodhi assistiert.

Begleitprogramm